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AutorenbildJule Detlefsen

Viel passiert - Reeperbahnfestival 2022

Ein persönlicher Nachbericht von Jule Detlefsen


Dass ich oft an das Reeperbahnfestival 2021 zurückdenke, hat zum einen dem Grund, dass ich es damals nicht fassen konnte, dass ich mit diesem kleinen Musikblog, den ich mir in dunklen Winternächten ausdachte, so eine Möglichkeit mal bekommen würde, und zum anderen muss ich an mein 23-jähriges ich denken, dem alles zu viel und nichts genug war.

Nach der aufbrausenden Euphorie des letzten Jahres sollte ich den niederschmetterndsten Herzschmerz meines Lebens erfahren und das nicht mal 24 Stunden nach dem Festival. Die Erinnerungen an das letzte Jahr sind also getrübt von einer schweren Wolke an Herzschmerz und einer Ohnmacht, die mich nicht an bessere Zeiten glauben ließ.

credits: Marvin Contessi

Ein Jahr später fieberte ich immer noch mit einem mulmigen Gefühl dem RBF entgegen. Ich freute mich auf all die lieben Gesichter, die ich seit dem letzten Mal kennenlernen durfte, doch das Gefühl des letzten Jahres wollte mich noch nicht verlassen. Doch wirklich Zeit darüber nachzudenken hatte ich überhaupt nicht. Meine Festivaltage waren geprägt von Interviews und einem straffen Zeitplan, der sich damit beschäftige, von der einen Venue in die nächste Venue zu laufen.


So startet auch der Festivalmittwoch für mich. Nach der Arbeit sprang ich in den nächsten ICE nach Hamburg, um von da aus direkt auf die Reeperbahn zu fahren. Auf meinem Weg begegneten mir schon einige mit uralten Kraftklub-Merch, ich war also auf der richtigen Route. Das Ziel: Das spontane Kraftklub-Konzert mitten auf der Reeperbahn.

Nachdem mich Willi, mein Flutwelle-Kollege und liebster Kumpel am Heiligengeistfeld abholte, stapften wir gemeinsam zum Geschehnis und genehmigten uns die erste Mate-Peng des Festivals. Während wir genüsslich unsere Spirituose in das koffeinhaltige Kaltgetränk schütteten, sprang der wohl mit Abstand spannendste Featuregast des neues Kraftklub-Albums auf die Bühne: Bill Kaulitz. Nach einem kurzen Moment des Sammelns ging es dann für uns weiter zur Anais ins Mojo.

Im Anschluss liefen wir planlos über die Reeperbahn. Denn auch im zweiten Jahr RBF waren wir noch nicht auf die heißesten Party des Festivals eingeladen. Aber was noch nicht ist, kann ja noch kommen.

Mit Brause im Bauch und viel Müdigkeit im Kopf bestellten das nächste Uber, um den nicht bekommenden Schlaf zumindest ein wenig nachzuholen.

credits: Philipp Gladsome

Der nächste Tag startete mit einem Interview mit dem lieben Tim der Band Forward. Gemütlich redeten wir über ihre neuste EP „So Glad We’ve Almost Made It“. Dringende Hörempfehlung, besonders im Angesicht der grauen Herbsttage, die jetzt vor uns stehen. Wir schnackten übers Songwriting, die musikalische und ästhetische Visions der Band und sein streng geheimes Soloprojekt. Zu Forward aber bald mehr auf unserem Blog.


Egal wem ich auf dem Festival begegnete, die Go-To-Show so ziemlich aller, war die von Paula Hartmann im Übel & Gefährlich. Klar, das kann man sich auch schlecht entgehen lassen. Wie erwartet, legte die Musikerin mal wieder ein Brett von Liveshow hin und ich war mal wieder ganz ergriffen. Fast genau ein Jahr war der Release von „Truman Show Boot“ nun her. Die Hymne meines bis jetzt miesesten Herzschmerzes tat nach einem Jahr zwar immer noch weh, doch drückte nicht mehr an denselben Stellen wie früher.

Nachdem Paula alle meine Emotionen aufsog, war mir nach mehr Gefühl und so suchte ich mit Freunden den nächsten Späti auf. Flora (absolute badass woman) kaufte kurzer Hand vier Jägermeister für uns. Dass der Abend von hier schwierig werden sollte, hätte ich mir schon denken können. Spontan stolperten wir ins Mojo und tanzten eine Stunden lang zu der wirklich unterhaltsamen Show der hamburger Band Schorl3. Den Ohrwurm zu „Gib mir mehr“ werde ich bis heute nicht los.

Mein Kalender für den Festivalfreitag platze aus allen Nähten. Doch zunächst musste ich den für mich wichtigsten Termin des RBFs abarbeiten: Die Moderation des Tincon-Talks „Musik als Job“ zusammen mit der lieben Annika aus dem U21 Team der Tincon bereiteten wir uns auf unsere Gäste vor. Wir hatten Luke Noa und Esther Graf eingeladen, um einen kleinen Einblick zubekommen, wie man das eigentlich so macht mit der Musik. Unsere Gäste hatten spannende Gedanken und Blickwinkel dabei, von denen ich auch für Flutwelle noch immer zehre. Den gesamten Talk gibt es übrigens bald auf dem YouTube-Kanal der Tincon zu sehen. Schaut unbedingt mal vorbei.


Dass ich ein Jahr später als Speakerin auf Bühne in Hamburg stehe würde, hätte ich wohl vor einem Jahr auch noch nicht gedacht. Ich bin gespannt, was es nächstes Jahr für mich gibt.

credits: Tom Heinke

Nach einem schnellen Interview mit Dylan und einem Abend voller Konzerte, unteranderem von Mia Morgan und Brockhoff ging es nach einem amtlichen Burgerking Besuch wieder in die Koje für uns. Denn um 4:30 Uhr musste ich schon wieder aufstehen, um den Zug nach Berlin zubekommen, um rechtzeitig zum Teambriefing für das Lollapalooza 2022 zu erscheinen.

Aber jetzt wird sich erstmal erholt von dem ganzen Spektakel.


Das Reeperbahnfestival 2022 wurde für mich nicht nur ein Erlebnis, das ich wohlig warm in meiner Erinnerung trage, sondern auch zu einem Moment der Reflexion des letzten Jahres. Was ein lautes und zu gleich taubes Jahr. Das schreiende Leben, welches mir an der ein oder anderen Stelle einen emotionalen Hörsturz verpasste, fühlte trotz alledem irgendwie gut an. Total furchteinflößend und chaotisch, aber das alles im allerbesten Sinn.


Ich bin gespannt, was ich nächstes Jahr schreibe. Ob es besser oder schlechter wird, lässt sich jetzt wohl noch nicht sagen, doch eins ist sicher: Das Reeperbahnfestival ist immer eine Geschichte wert.

credits: Tom Heinke

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