Durch ein Zufall bewarb ich mich online für eine Presseakkreditierung für das Reeperbahnfestival 2021. Große Hoffnung hatte ich keine, schließlich ist Flutwelle ein sehr kleiner Musikblog bzw. ein sehr kleines Musikmagazin im Gegensatz zu der führenden Konkurrenz. Fast vergaß ich mein Versuch, als akkreditierte Presse nach Hamburg zu fahren, bis ich wenige Tage vor dem Festival eine Zusage in meinem Spam-Ordner fand. Wieder ein Zufall.
Früh morgens am Festival-Donnerstag machte ich mich stellvertretend für Flutwelle auf den Weg von Berlin nach Hamburg. Angekommen in Hamburg führte mein Weg zum Heiligengeistfeld aka dem Festival Village. Immer noch ungläubig von der gesamten Situation ging ich an den Press Desk und bekam Presseakkreditierung, Festivalbändchen und das 3G-Band für das gesamte Festival - es hatte geklappt, Flutwelle wurde tatsächlich für das Reeperbahnfestival akkreditiert.
Die erste Station führte mich zum Event von Music Women* Germany. Dort saß ich zwischen all diesen wichtigen und besonderen Frauen der Musikbranche. Die Chancengleichheit zwischen den Geschlechtern war ohnehin ein wichtiger Punkt über das gesamte Festival - ein Schritt in die richtige Richtung.
Mein nächster Termin führte mich thematisch in eine ähnliche Richtung. Der Feamm-Stammtisch konnte endlich wieder live und in Farbe stattfinden und nicht nur virtuell. Etwas abseits des Geländes konnten sich alle Teilnehmer:innen dann in der Superbude zum Quatschen und Connceten treffen. Besonders herausgestochen hat das junge Durchschnittsalter der Teilnehmer:innen, was mir Hoffnung für die kommende Generation in der Musikbranche machte. All in all bleibt zu sagen, bei Faemm war es wie immer eine 10/10 Experience.
Danach suchte ich orientierungslos nach der nächsten Möglichkeit meinen Abend zu gestalten. Es wurde dunkel und es fing ganz typisch norddeutsch an zu nieseln. Natürlich hatte ich keinen Regenschirm eingepackt, passt schließlich nicht zum Outfit. Also versuchte ich in irgendein Club zu kommen, um mir in trockener Kulisse Live-Musik anschauen zu können. Leider war das gar nicht so einfach. Beim Showcase im UWE, ging über den gesamten Abend gar nichts. „Wir sind leider voll, probiere es in einer halben Stunde noch mal“ - war der Satz, den ich immer wieder zuhören bekam. Nervig, aber auch verständlich. Schließlich unterlag das Reeperbahnfestival einer strengen 3G-Regel, die eben auch ein Personenlimit für Innenräume vorsieht.
Mit diesem Wissen stapfte ich schnell zum Imperial-Theater, da in knapp 45 Minuten die Show des Rap & Politik Podcasts Machiavelli starten sollte. Der Einlass war an dieser Stelle kein Problem. In der Location durften wir zunächst von Jan Kawelke etwas über die Geschichte des Raps, Tupac und dessen Referenzen auf deutschen Deutschrap-Alben lernen. Anschließend begrüßte er die Newcomerin Nina Chuba auf die Bühne. Gemeinsam redeten sie über Rap, Instagram und TikTok und warum Nina in der Schule "Super Bass" von Nicki Minaj auf den Schulgängen rappte. Ein kurzweiliger Talk, der auch durchaus noch eine Stunde länger hätte gehen können. Machiavelli eh große Empfehlung für alle, die den Podcast bis hier noch nicht auf dem Schirm hatten.
Danach ging es noch schnell zur Arte-Stage, um die letzte halbe Stunde des Jeremias-Sets zu sehen. Es war zwar ziemlich kalt und nass, doch ein bisschen tanzen zu dem funkigen Sound der Band aus Hannover und das Wetter war vergessen. Jeremias ist immer ein Konzert wert.
Das war auch schon der erste Tag auf dem Reeperbahnfestival für mich, müde und durchgefroren fiel ich ins Bett, auch wenn ich dadurch die wohl „legendäre“ After-Show-Party im Molotow verpasste, von der ich am nächsten immer wieder gehörte. Nächstes mal dann.
Der Freitag war nicht ganz so vollgepackt. Erst um 15:00 Uhr ging einem Talk mit Badmómzjay, der im Rahmen der Tincon veranstaltet wurde. Ich fand Badmómzjay schon immer ziemlich cool, aber spätestens nach diesem Talk war ich hin und weg von der 19-jährigen Rapperin. So reflektiert und weise, dass man gar nicht glauben kann, dass sie noch ein Teenager ist.
Um den Deutschrap Bogen weiter zu spannen lief ich anschließend zum Panel von Niko Backspin. Deutschrap Status quo findet jedes Jahr statt und analysiert - wie der Name es schon verrät - die aktuelle Situation des Deutschraps. Diesmal dabei: Ahzumjot, Lina Burghausen, YAEL & Jan Kawelke. Natürlich wurde über #Deustchrapmetoo gesprochen, aber auch viel über Eistee und Sell Outs. Die Zeit war schlichtweg zu kurz, um es wirklich reales Bild vom aktuellen Geschehen im Deutschrap zu berichten und somit überwog eine Diskussion darüber, ob es cool ist seinen eigenen Eistee rauszubringen.
Das Abendprogramm des Freitags hatte eigentlich für mich nur noch einen Punkt: Mia Morgan. Auf der Fritzbühne, die etwas undankbar für die performende Künstler:innen war, spielte der ganze Stolz aus Kassel und lieferte eine 1-A-Performance ab, die ich nur allzu gern noch in einer Clubversion gesehen hätte. Doch ein Album und die dazugehörige Tour sind hoffentlich nicht mehr weit entfernt, Fingers Crossed.
Beim Durchscrollen meiner Reeperbahnfestival App entdeckte ich dann ein spontanes Konzert des aufstrebenden Künstlers Schmyt im Übel & Gefährlich. Die eine Stunde Anstehen hatte sich auf jeden Fall gelohnt, was für ein Konzert. Besonders unter dem Aspekt, dass Schmyt gerade mal eine EP und somit nur wenige Songs veröffentlicht hat. Mein erstes Clubkonzert nach knapp 1,5 Jahren, das haut einen echt vom Hocker.
Der Festival-Samstag bestand für mich nur noch aus zwei Talks, die erneut von der Tincon organisiert wurden. Einmal über den Einstieg in die Musikbranche mit einigen Mitgliedern des Vereins für Popkultur und darüber, was einen guten Musikjournalisten ausmacht. Was beiden für mich eher ernüchternde doch ehrliche Talks waren, da die Quintessenz war: Um in der Musikbranche zu arbeiten, ist Privileg ein entscheidender Faktor. Diese Erkenntnis war mir bewusst, doch hat mich nachhaltig zum Nachdenken bewegt.
Ein Privileg war es auch zum Reeperbahnfestival überhaupt eingeladen zu werden. Ich bin mir bis heute nicht ganz sicher, wie ich an diese verrückte Möglichkeit gekommen bin. Doch es ist super schön zu sehen, dass dieses kleine Musikmagazin anklang findet, vielleicht doch etwas bewegen kann und die Musiklandschaft in Deutschland ein bisschen bunter und jünger machen kann. Das Flutwelle-Team ist gespannt, was noch für dieses Magazin in der Zukunft liegt und wo die Reise noch hin geht. Bleibt gerne solange an Board <3
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