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  • AutorenbildDominik Kotzur

J Noa: “Eine Krone aus Pappe ist keine echte Krone. Die Leute kämpfen also um etwas, was nicht einmal existiert” 

Dominik Kotzur im Interview mit der Rapperin J Noa

credits: Alessandro Martino


Die dominikanische Nachwussrapperin J Noa erobert mit ihrem neuen Album “Mátense por la Corona” die internationale Rap- und Hip-Hop Szene. Sie lässt sich nicht von dem Druck und der toxischen Kompetitivität der Musikindustrie beeindrucken und überzeugt mit pointierten und kritischen Texten in einem äußerst beeindruckenden Tempo. Aufgewachsen in San Cristóbal auf der Dominikanischen Republik wird dieser karibische Einfluss in ihrer Musik deutlich und untermalt viele Tracks. Sie bleibt ihrer Identität und ihrer Selbst treu, während sie sich zugleich weiterentwickelt und etwas Neues, ganz Spannendes schafft. 


Hi J Noa, schön, dass du da bist! Du hast erst vor kurzem dein Debütalbum veröffentlicht. Gibt es einen Song, der deinen jetzigen Gemütszustand beschreibt?


Ich glaube “Cabecear”, weil der Song voller Energie ist, wie so ein Rock Song. 


Erzähl uns ein wenig mehr. Wie hast du dich in den letzten Tagen nach der Veröffentlichung des Albums gefühlt? 


Ich fühle mich sehr gut und war aufgeregt, dass das Album jetzt endlich rauskommt. Es war eine Phase, die ich abschließen wollte. Wir haben eine Weile am Release gearbeitet, nicht so sehr an den Songs selbst, denn das Album haben wir in drei Tagen fertig gemacht. Ich bin wirklich glücklich und zufrieden mit dem Ergebnis und der Akzeptanz, die es bisher erhalten hat. Am Album habe ich überwiegend mit dem Producer Trooko gearbeitet, der alle Songs, außer “Toy Eleva” und “Solo un Viernes”, produziert hat. An den beiden hat der Producer Rike Music aus Panama gearbeitet. 


Wie hast du den Weg zur Musik und vor allem zum Rap gefunden? Was sind deine ersten musikalischen Erinnerungen in deiner Kindheit, an die du dich erinnern kannst? 


Ehrlich gesagt, ich weiß es nicht mehr genau. Es war nicht so, dass ich eines Tages aufgewacht bin und gesagt habe: „Ich werde Musik machen“. Ich mache das schon seit ich fünf bin. Ich glaube, es war immer ein Teil von mir, seitdem ich auf die Welt gekommen bin. Ich bin sehr überrascht, wie ich mich seit meinen Anfängen entwickelt habe. Ich erinnere mich noch daran, wie ich früher in den Schulpausen mit meinen Freundinnen Videos aufgenommen habe. Wir gingen auf das oberste Stockwerk des Schulgebäudes und nahmen dort ein paar Freestyle-Videos auf. Wir haben die Videos leider nicht veröffentlicht, weil man keine Videos in der Schuluniform posten durfte. 



Ich kann mir vorstellen, dass das eine von vielen schönen Erinnerungen ist, auf die du jetzt zurückblicken kannst. Du kommst aus der Dominikanischen Republik. Hat dich die Umgebung und die Nachbarschaft, in der du aufgewachsen bist, musikalisch beeinflusst? 


Ich glaube, das hat mich in allem beeinflusst. Ehrlich gesagt hat dort alles angefangen. Der Hauptfokus all meiner Lieder liegt dort. Ich bin die Person, die ich bin, gerade vielleicht wegen dieses Einflusses. Ich bin in einem Viertel aufgewachsen und das hat meine Intelligenz und Kreativität stark geprägt. Ich habe gelernt, aus meinen Erlebnissen und Erfahrungen Kunst zu machen.      


Hast du immer noch Verbindungen zur Nachbarschaft und den Menschen vor Ort? 


Ja, ich lebe quasi immer noch im Viertel. Nicht mehr im gleichen Haus wie früher, etwas weiter weg, aber immer noch in der Nachbarschaft. Jedes Mal, wenn ich Zeit habe und nicht arbeite, gehe ich dorthin, um mir die Nägel machen zu lassen. Ich hatte schon immer eine enge Verbindung mit diesem Ort. 


Also, wenn du im Viertel bist, können dich die Leute beim Rappen antreffen?


Das kommt immer darauf an. Einmal bin ich auf Tik Tok live gegangen und habe angefangen, zu rappen, als ich interviewt wurde. Es waren Leute aus der Nachbarschaft vor Ort und es ist schöner content entstanden. Ein anderes Mal wollte ich mir die Haare machen lassen und als ich bei den Jungs im Friseursalon ankam, spielten sie Beats über einen Lautsprecher ab und ich fing an, dort zu rappen. Deswegen gibt es Videos von mir, wie ich im Friseursalon performe.



credits: Edgar Nuñez


Oh, wie cool. Ich stelle mir vor, dass es auch für die Menschen in der Nachbarschaft schön ist, diese Erlebnisse mit dir zu teilen. Würdest du sagen, dass du mit deiner Musik aus der dominikanischen Musikszene herausstichst? 


Ich habe den dominikanischen Flow. Meine Texte sind geprägt von meiner Umgebung, Santo Domingo und der Dominikanischen Republik, aber durch die Zusammenarbeit mit internationalen Producern haben sich meine Klänge weiterentwickelt. Deshalb würde ich meine eigene Musik hier vor Ort nicht direkt als alternativ beschreiben, aber ein wenig alternativ. 


Lass uns über dein Album sprechen. Was hat es mit dem Namen “Mátense por la Corona” (Tötet euch für die Krone) auf sich? Auch in dem Musikvideo, das du zum gleichnamigen Song veröffentlicht hast, ist eine schwarze Krone zu sehen. 


Wenn du genau hinsiehst, ist die Krone aus Pappe. Eine Krone aus Pappe ist keine echte Krone. Die Leute kämpfen also um etwas, das nicht einmal existiert. Der Name des Albums “Tötet euch für die Krone” soll auf diese Kompetitivität der Musikindustrie hinweisen. Ich mag diese Konkurrenz nicht. Ich möchte nicht um eine Krone kämpfen, um etwas, das nicht existiert, denn ich brauche keine Krone, um meine Kunst zu zeigen. Alle wollen immer die Nummer Eins sein, und sie sollen auch dafür kämpfen. Es ist aber nicht das, was ich will. 



Das ist ein unglaublich wichtiges Thema, das du damit ansprichst. In dem Song “Era de Cristal” sprichst du weiter von verschiedenen Unsicherheiten. Du sagst „refugiada en mi pasado con un presente tan bello” (entflohen in meiner Vergangenheit mit einer so schönen Gegenwart). Wir kennen alle dieses Gefühl, nicht weiterzukommen. Wie bekämpfst du dieses Feeling? 


Die Vergangenheit kann man nicht ändern, man muss sich an das anpassen, was man gerade erlebt, und versuchen, mit der Situation umzugehen. Ich versuche, mich irgendwie beschäftigt zu halten. Wenn du dich mental in einer schwierigen Situation befindest, musst du den Geist beschäftigen, damit du nicht daran denkst. Diese Verdrängung bedeutet nicht, dass alles gut ist, aber zumindest versucht man, einen Moment lang abzuschalten und es zu vergessen. Wir können nicht unser ganzes Leben damit verbringen, an Dinge zu denken, die schon passiert sind und die wir nicht mehr ändern können. Klar, es sind Dinge, die du nicht vergisst, und du leidest, wenn du dich daran erinnerst, aber wir müssen lernen, mit ihnen umzugehen, um im Hier und Jetzt leben zu können. 


In deiner EP “Autodictata” sprichst du z.B. in dem Song “La Niña” über die Herausforderungen von Frauen und Mädchen und sprichst über Themen wie Suizid und mentale Gesundheit auf der Dominikanischen Republik. Greifst du diese wichtigen sozialen Themen in “Mátense por la Corona” auf? 


Im Album spreche ich Themen, wie Suizid oder mentale Gesundheit, nicht direkt an, aber der Song “Desbalance” handelt von Lieblosigkeit und einer Liebe, die einfach nicht genug ist. In dem Song rappe ich zwar in der ersten Person, aber die Situation ist mir selbst nicht passiert. Ich versetze mich in die Perspektive dieser Frau, spreche ihren Partner direkt an und zeige ihm alles, was in unserer Beziehung schiefläuft. In “Solo un Viernes” rate ich einer Freundin, ihre Beziehung endlich hinter sich zu lassen, ihre Augen zu öffnen, ihn zu vergessen und nach vorne zu schauen. Das basiert tatsächlich auf einer wahren Geschichte, von einer Freundin, die vor kurzem mit ihrem Partner Schluss gemacht hat. Mit diesen beiden Songs spreche ich Themen wie mentale Gesundheit im Kontext von Beziehungen an. 

credits: Alessandro Martino


Was ist denn dein persönlicher Lieblingssong aus dem Album? 


Ich liebe einfach den Flow von “Mátense por la Corona”, dem Focus Track des Albums, weil er diesen klassischen, Oldschool-Rap Charakter hat. Abgesehen davon liebe ich “Solo un Viernes” aufgrund der persönlichen Verbindung zum Thema des Songs, die ich vorhin erklärt habe. 


Am Anfang des Interviews hast du gesagt, dass ihr das Album in drei Tagen fertig produziert und aufgenommen hattet. Das ist doch super schnell, oder? 


In der Session mit Trooko sind insgesamt neun Songs entstanden. Am ersten Tag haben wir drei produziert, am zweiten Tag vier und am letzten Tag noch einmal zwei. Es war eine verrückte Erfahrung. Die Songs “Toy Eleva” und “Solo un Viernes” waren nicht Teil dieser Session, weil sie von anderen produziert wurden. Es ging alles super schnell, wir waren so kreativ und es kam am Ende ein unglaublich gutes Produkt dabei heraus. Die Energie mit Trooko war einfach ansteckend, weil ich auf der musikalischen Ebene seine Energie teile und wir uns auf dem gleichen Level bewegen. Persönlich ist er ruhig und spricht kaum, aber wenn er Musik macht, ist er energiegeladen, wir nicken mit dem Kopf und bewegen die Hände zu den Beats. Es war wirklich intensiv, mit ihm zu arbeiten.


So wie du das gerade beschreibst, wäre ich gerne an diesen drei intensiven Tagen bei euch gewesen, um diese ansteckende Energie mitzuerleben. 


Ich habe schon mit vielen verschiedenen Producern zusammengearbeitet, aber die Energie hat noch nie so gematched, wie mit Trooko. 


Jetzt ist das Album endlich draußen, da fällt bestimmt viel von dir ab. Was kommt danach?


Wir sind die ganze Zeit am Planen. Ich habe zwei Auftritte im August in Kalifornien und ich werde einfach weiter Musik machen, weil es das ist, was ich am besten kann. 


Wir erwarten dich hier in Berlin und freuen uns, noch mehr von dir zu hören! Danke für das Interview. 




















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