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AutorenbildJule Detlefsen

Gracie Abrams: "es gibt da dieses überwältigende Gefühl von Ruhe, selbst bei dem Chaos"

Gracie Abrams im Interview mit Jule Detlefsen

Gracie Abrams geht mit Taylor Swift, HAIM, Girl in Red oder Phoebe Bridgers auf Tour und hat trotz des ganzen Trubels sich Zeit genommen, mit mir über ihr Debütalbum „Good Riddance“ zu reden. Die Musikerin wurde schon vor ihrem ersten Album für ihr ehrliches Songwriting hochgelobt. Mit "Good Riddance" liefert sie nun den endgültigen Beweis, dass sie erst am Anfang steht.


Den Pre-Listening-Link zu Gracie Abrams Debütalbum "Good Riddance" wurde mir mit den Worten "I dare you not to cry" geschickt. Was soll ich sagen, nach dem ich mit dem Album durch war, war kein Auge mehr trocken. So feinfühlig, zart und trotzdessen mit einer gewaltigen Wucht kamen mir die 12 Songs des Albums entgegen. Woher Gracie die Kraft nimmt, so weich zu sein und wie sie mit diesen einnehmenden Gefühlen heute umgeht, hat sie mir im Interview verraten.

Außerdem gab sie mir am Ende noch eins der schönsten Komplimente, die ich seit Langem bekommen habe, mit auf dem Weg. Was sie genau gesagt hat, könnt ihr hier nachlesen.

Hi Gracie, ich würde gerne mit dir übers Weich sein sprechen, weil ich denke, dass es heutzutage in dieser verrückten, überstimulierten und irgendwie beängstigenden Welt so wichtig ist, weich zu bleiben und nicht abzustumpfen. Woher nimmst du die Kraft, in deiner Musik so sanft und verletzlich zu sein?


Ich glaube, ich war schon immer ein eher introvertierter Mensch. So war es für mich schon immer normal, über meine Gefühle zu schreiben, anstatt direkt mit anderen darüber zu sprechen. Es ist also interessant zu hören, dass du fragst, woher die Kraft dazu kommt, denn für mich fühlt es sich oft so an, als wäre es das Natürlichste, was ich tun kann. Ich habe das Gefühl, das ich mehr mit dem Schreiben als mit dem Reden aufgewachsen bin. Für mich ist es wie Atmen. Ich muss es einfach tun, weißt du?


Warst du schon immer so gut darin, deine Gefühle auszudrücken?


Nein, ich glaube nicht. Ich glaube nicht, dass ich schon immer gut darin war, meine Gefühle auszudrücken, und ich glaube auch nicht, dass es mir immer gut gelungen ist, meine Gefühle anderen Menschen gegenüber auszudrücken. Es gab letztes Jahr einen Punkt, an dem ich mit Konfrontationen gesünder, direkter und besser umgegangen bin, als ich es in der Vergangenheit getan habe. Ich glaube, vieles von dem, worüber ich in "Good Riddance“ geschrieben habe, kommt daher, dass ich lange Zeit wirklich schlecht darin war. Jetzt versuche ich es, weil ich glaube, dass ich, um in irgendeiner Art von Beziehung zu sein, sei es eine platonische, eine familiäre oder eine romantische, den Menschen in meinem Leben die beste Version von mir zeigen möchte, und ich glaube, das ist ein großer Teil davon. Ich bin einfach erwachsen geworden und habe Prioritäten gesetzt und herausgefunden, was ich will. Ich habe in letzter Zeit bewusster darauf geachtet, meine Gefühle auf eine bewusstere, ehrlichere Art und Weise auszudrücken.


Gab es den Punkt, an dem du gesagt hast: "Okay, daran muss ich arbeiten", oder war das ein natürlicher Prozess für dich?


Es gab viele Punkte. Ich glaube, es ist einfach so, dass es viele Dinge gibt, und ich habe gemerkt im Laufe der Zeit, dass ich hier und da Muster in mir entdecke. Ich habe nicht das Gefühl, dass es am Ende des Tages Dinge gibt, von denen ich weiß, dass sie mir ein gutes oder schlechtes Gefühl geben, ich glaube, es ist oft schwieriger, diese Dinge zu erkennen und entsprechend zu handeln. Ich glaube, ich habe lange Zeit den einfacheren Weg gewählt und einfach ignoriert, was ich selbst für wahr hielt, aber ich glaube nicht, dass es mir oder den Menschen, mit denen ich in einer Beziehung war, geholfen hat. Ich habe einfach kein Interesse mehr daran, mich anderen Menschen gegenüber so zu verhalten, und auch kein Interesse daran, mich mir selbst gegenüber so zu verhalten. Ich denke, dass es mir und anderen gegenüber unfair ist.

Aber das ist auch eine mutige Sache, sich darauf einzulassen und so zu ehrlich zu sich zu sein.


Ich hatte das Glück, in meinem ganzen Leben wirklich gute Ressourcen und ein Unterstützungssystem zu haben. So fühle ich mich in dieser Hinsicht sehr privilegiert, einfach, weil ich mich ermutigt fühle.


Wer hat dich dazu inspiriert, weich zu sein?


Das ist eine gute Frage. Ich habe während der Aufnahmen viel Mary Oliver gelesen und fühlte mich von der Art und Weise angezogen, in der sie viele alltägliche Dinge, an die wir uns gewöhnt haben, so feinfühlig schildert. Ich denke, dass ihre Ausführungen über die natürliche Schönheit der Welt mich daran erinnert haben, dass es ständig so viel gibt, für das man dankbar sein muss, und ich denke, dass diese unterschwellige Gefühl der Dankbarkeit beim Schreiben dieser Platte unglaublich hilfreich war. Sie ist also jemand, den ich schon immer bewundert habe. Durch sie habe ich die Verbindung zwischen Stärke und Weich sein verstanden. Ich habe das Gefühl, dass ihre Arbeit so stark und kraftvoll ist, aber auch so zart und weich. Es ist wirklich eine schöne, kraftvolle, weibliche Art, die mich sehr inspiriert.


Ich habe mir dein Debütalbum „Good Riddance“ angehört und es ist wirklich sehr traurig, zart und verletzlich. Wie geht es deinem Herzen heute?


Danke, dass du das fragst. Ich fühle mich gut. Ich fühle mich glücklich genug, auch wenn es an manchen Tagen turbulenter zugeht als an anderen. Ich habe das Gefühl, dass meine Basis in letzter Zeit sehr stabil war. Ich habe das Glück, jetzt viele Werkzeuge zu haben, um mit Traurigkeit oder Ängsten umzugehen. Es gibt einfach gesündere Coping Mechanisms als die, auf die ich früher gestützt habe. Ich habe das Gefühl, dass vieles davon damit zu tun hat, dass ich mich einfach so fühle, wie ich mich fühle, anstatt so zu tun, als ob ich es täte. Ich habe gemerkt, dass ich Gefühle, die man jetzt unterdrückt, später noch viel schlimmer hochkommen.

Im Moment fühle ich mich müde, aber ich bin froh, müde zu sein und wie geht es dir?


Ich bin ziemlich gestresst von der ganzen Arbeit, aber ich bin auch sehr glücklich, dass ich das alles machen kann. Ich glaube, Jule vor 2 Jahren würde sagen dass ich heute den coolsten Tag überhaupt hatte wegen meiner Arbeit.


Es ist so wild und so wichtig, sich das immer wieder vor Augen zu führen. Ich merke, dass ich mich immer wieder so fühle.

Wann hast du angefangen, Songs für das Album zu schreiben?


Irgendwie fühlte es sich so an, als wäre es nicht letzten Herbst, sondern vorletztes Frühjahr, also vor einem Jahr. Jedes Mal, wenn ich im Studio war, haben wir so viel Musik gemacht, dass ich das Gefühl hatte, dass wir durch die Geschwindigkeit, mit der wir gearbeitet haben, und durch die Art und Weise, wie Aaron und ich miteinander harmonieren, eine Einheit gebildet haben. Wenn wir Musik machen, fühlt es sich an, als wäre es eine eigene Welt.


Weil der letzte Satz des Albums lautet: „I feel like myself right now", wer warst du, als du mit dem Schreiben des Albums begonnen hast und wer bist du jetzt?


Jetzt fühle ich die ganze Zeit deutlich mehr. Ich glaube, als ich anfing, das Album zu machen, hatte ich das Gefühl, dass ich viele Gefühle in mir trug, mit denen ich mich nicht in Echtzeit auseinandergesetzt hatte. Ich habe viele dieser Gefühle auf diesem Album auf eine Weise herausgelassen, die für mich wirklich wichtig war. Ich denke, nachdem ich diese Zeit hatte und auch Zeit für mich alleine, nachdem ich die Möglichkeit hatte, auf Tour zu gehen und so viele Leute zu treffen und so viele neue Orte zu sehen, dass ich mich sehr klein gefühlt habe, sehr winzig im großen und Ganze so persönlich so viel Frieden gefunden habe. Es gibt da dieses überwältigende Gefühl von Ruhe, selbst bei dem Chaos, das das letzte Jahr ausgemacht hat.

Ich habe das Gefühl, alles etwas leichter zu nehmen, anstatt jeder Kleinigkeit so viel Gewicht zu geben. Ich hatte früher definitiv einige Probleme mit der Kontrolle von Dingen. Im Moment liebe ich es, zu wissen, dass ich nur mich selbst kontrollieren kann und alles andere loslassen kann und keine zusätzliche Verantwortung übernehmen muss. Ich fühle mich heute einfach klarer.

Dann passt die nächste Frage perfekt. Die Platte heißt "Good Riddance", was oder wem willst du in 2023 Good Riddance sagen?


Ich würde sagen zu allem, was mir nicht dient, was mich, mein Herz und meine Energie nicht schützt. Es ist ein Klischee, ein sehr klischeehaftes Klischee, aber es sind die kleinen Dinge, auf die ich mich so sehr konzentriere und weniger auf die anderen.


in einem kurzen Satz, die letzte Frage: Wenn du auf alles zurückblickst, was dir in deinem Leben oder deiner Karriere passiert ist und noch passiert, was würdest du einer 13-jährigen Grace heute sagen?


Leg dein Handy weg!


Oh man, das check ich. Sehr guter Ratschlag, den nehme ich mir auch mal zu Herzen. Vielen Dank für deine Zeit und dieses wirklich schöne Interview.


Danke dir! Ich bin wirklich begeistert zu hören, was mit dem Magazin noch passiert. Es ist wirklich cool, worauf du hinarbeitest, und ich als Künstlerin in der Branche bin sehr dankbar, dass es Leute wie dich gibt, die diese Räume schaffen und wirklich das Richtige tun. Danke.


(weint innerlich.)

credits: Danielle Neu


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