Tim von Forward im Flutwelle-Interview mit Jule Detlefsen
credits: Julius Bracke
Forward ist nicht nur die Band mit den 8 Musikern auf der Bühne, sondern auch die Band mit dem herrlich funky Sound. Inspiriert von allen möglichen Facetten der Disco-, Funk-und Popwelt schaffen die acht einen musikalischen Rahmen, der trotz seiner Komplexität zum befreiten Tanzen anregt.
Im Spätsommer veröffentlichten sie ihre 2. EP "So Glad We’ve Almost Made It". Im Zuge des Releases habe ich Frontsänger Tim zum Interview auf dem Reeperbahnfestival getroffen. Bei einem Kaffee auf der Schanze haben wir über das Konzept der EP gequatscht und geklärt warum es eigentlich immer wieder um die Liebe geht.
Hi Tim, wie geht es dir?
Ich noch total euphorisiert von dem Release und leicht verkatert. Genau vor zwei Wochen haben wir die Platte rausgebracht. Ganz schön, dass das jetzt raus ist und man alles veröffentlicht hat.
Der Druck hat dann wahrscheinlich auch einfach nachgelassen oder?
Voll, wir machen ja den Großteil beim Release auch selber. Gerade das ganze Kreative und so, da koordiniere und setze ich eigentlich größtenteils alles alleine um und das ist dann natürlich viel, viel Aufwand. Aber es lohnt sich dann am Ende immer und ist auch ein sehr schönes Gefühl, wenn es dann fertig ist.
Ist es denn wirklich fertig, wenn es raus ist?
Auf der musikalischen Ebene ist es, finde ich, immer ganz schön krass. Wir haben Ende letzten Jahres die Songs aufgenommen und das ist ein super langer Prozess, bis sie dann veröffentlicht sind. Ab dem Moment, wenn sie dann raus sind, ist es wirklich ein ganz anderes Song-Gefühl. Und dann gibt es keinen Weg zurück. Besonders im kreativen Prozess ist man oft in diesem Modus, dass man nie so ein richtiges Ende findet. Ich glaube, das ist die höchste Kunst. Weil du beim Songwriting, gerade mit acht Personen bei uns, viele Perspektiven und viel Input immer dazu kommt, dass man dann gucken muss okay, jetzt machen wir nichts mehr dran.
Ich habe mir die EP gestern auf der Zugfahrt nochmal angehört und dann hat die Sonne gescheint und ich dachte: Das ist genau der Soundtrack für dieses Wetter. Merkt ihr, dass eure Mucke im Winter im Gegensatz zum Sommer anders klingt?
Wir haben die Songs im Sommer geschrieben, also das Musikalische. Ich habe die Lyrics aber größtenteils eher im Winter geschrieben. Ich finde es immer total spannend, da so einen Kontrast einzubauen. Sodass die Songs zum Teil happy klingen, aber dann eine ernste Thematik behandeln. Wir haben uns letztes Jahr ein Haus gemietet in Norddeutschland und haben dann da die EP zusammengeschrieben und das Gefühl ist da sehr viel mit reingeflossen.
wo war das genau?
Irgendwo über Hamburg… bei Itzehoe? Auf jeden Fall irgendein ein Kaff.
Da wird man zumindest nicht abgelenkt.
Das war auch genau das Ziel von uns. Das war echt schön. Wir haben auch herausgefunden, dass in genau dem gleichen Haus vor 2,3 Jahren auch mal Blond waren.
Ach, wie verrückt!
Die EP behandelt eine Beziehung in allen möglichen Facetten und ich habe mich gefragt als jemand, der noch nie einen Song geschrieben hat, warum werden es immer Love Songs?
Haha, also ich glaube, es ist relativ einfach über persönliche Gefühle zu schreiben oder einfach das Autobiografische einfließen zu lassen. Für mich ist es immer eine sehr schöne Art oder meine einzige Art, diese Gefühle für sich selbst zu verarbeiten.
Ich habe tatsächlich auch ganz, ganz lange drüber nachgedacht, weil wir mit der ersten EP gar nicht in diese Richtung gegangen sind. Natürlich ist es ein ausgelutschtes Thema, aber ich fand es dann einfach interessant, das ganze aus einer anderen Perspektive zu betrachten. Dass es halt nicht nur dieser klassische Sehnsuchtgedanke ist, sondern es wirklich in so einem konfusen Kontext widergespiegelt.
Vom Feedback, nach der EP haben wir gemerkt, dass es einfach sehr, sehr viele Leute anspricht oder sich Leute in den Songs wiedergefunden haben und das finde ich, ist ja das Schönste, was man mit Musik erreichen kann, die man selber macht.
Das sind ja meistens auch genau die Gefühle, für die man selbst keine Worte für hat. Deswegen ist es ja total gut, dass man da Songs hat, die dieses Gefühl greifbar machen.
Ich glaube, das ist genau das Ding, dass man nie auf den Punkt kommt. Und alle Musiker:innen dieser Welt seit Jahrhunderten versuchen, das alles irgendwie in eine Definition zu packen. Aber das ist einfach ein nie endender Prozess.
credits: Julius Bracke
Wenn man seine gesamte EP musikalisch oder lyrisch auf einem Konzept aufbaut, wie oft dachtest du oder ihr euch: „scheiß drauf, ich will, dass der Song jetzt woanders hingeht“?
Das Konzept war auf jeden Fall eher inhaltlich und wir gehen musikalisch schon in verschiedene Richtungen. Das haben wir auch beim Songwriting Prozess gemerkt. Mit unseren ersten beiden EPs haben wir uns auf jeden Fall sehr gut musikalisch ausgetobt.
Als wir uns an die Songs gesetzt haben, haben wir gemerkt okay, da sind super viele Facetten dabei. Da ist ein sehr intimer, ruhiger Balladensong dabei und einer, der einfach ein bisschen mehr nach vorne geht und dann kam daraus die Idee, diese facettenreiche Beziehung mit rein zunehmen.
Das hat uns musikalisch aber gar nicht so beeinflusst. Da wollten wir es einfach ein bisschen ausreizen, um viele verschiedene Ebenen zu zeigen.
Wenn wir schon von Konzept reden, können wir ja mal über eure Visual reden. Sowohl Artwork, Musikvideos oder Live Sessions sind alle super schön. Habt ihr da eine bestimmte Inspiration gehabt?
Gerade mit der ersten und zweiten EP, weil wir die jetzt auch zusammen auf Vinyl gepresst haben und die sich visuell schon ein Stück weit voneinander unterscheiden, aber auch eigentlich zusammengedacht waren. Da ist es halt super viel dieser Coming-of-Age-Gedanke, der da mitspielt.
Ich finde eure Ästhetik irgendwie unaufgeregt schön und das im besten Sinne.
Ja, schön formuliert.
Du hast es gerade angesprochen, dass eure LP mit den beiden EPs ist, finde ich ja einen mega smarten Move. Ist dass vielleicht auch eure Art mit Streaming in dieser schnellen Welt umzugehen, um neue Konzepte zu schaffen, gerade für kleinere Bands, die sich nicht mal eben ein Album leisten können?
Wir versuchen natürlich diese ganze Streamingthematik und die Entwicklung aus dem kreativen Prozess rauszuhalten. Das ist auch immer einfacher gesagt als getan, weil man das unterbewusst natürlich alles mitbekommt. Aber wir schreiben jetzt keine Songs damit die in die Van-Life-Playlist kommen.
Die EPs waren einfach ein super Format für uns, um uns auszutoben. Das mit der Vinyl war auch in erster Line ein großer, großer Punkt auf unserer Bucket-List.
Wir wollten, aber haben uns an das Album auch noch nicht rangetraut. Vielleicht spielt da auch ein bisschen Angst mit rein. Aber die LP ist irgendwie eine ganz schöne Form, einfach gebündelt, was toll stehen zu lassen und dafür einen Rahmen zu haben. Immer noch besser als irgendwie alle drei Monate Singles rauszubringen, die dann nur für sich stehen.
Ich finde, ihr macht das total spannend, weil ihr damit ja gar nicht verteufelt, dass es keine Alben mehr gibt, sondern ihr sagt einfach: okay, das Status quo und wie können wir damit umgehen, um trotzdem irgendwie Mehrwert zu schaffen? Und das finde ich einen coolen Weg und fast ein bisschen revolutionär.
Wir haben einfach 2 EPs auf eine LP gepresst, könnt ihr es fassen?
Absoluter Wahnsinn. Okay, letzte Frage. Was macht Forward heute in drei Jahren?
Also drei Jahre ist ja auch schon so ein Zeitabschnitt, wo man sehr viel auch im Wunschdenken unterwegs ist. Wir haben jetzt gemerkt, durch unseren ersten Festival-Sommer, dass Livespielen einfach der Kern unserer Musik ist und nicht, dass wir in drei Jahren auf der krassesten Spotify-Playlist landen, sondern einfach super viel spielen. Dass es sich einfach in den nächsten Jahren sich immer weiterentwickelt und wir dann in drei Jahren richtig große Dinger spielen, vielleicht auch außerhalb von Deutschland. Zu ambitioniert darf man ja auch nicht sein.
Aber man muss ja wohl auch noch träumen dürfen.
Genau, also dann in drei Jahren mit Parcel auf Tour (lacht).
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