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AutorenbildNatalie Voß

Eli Preiss im Interview

Wenn es um New-Wave-Deutschrap geht, ist Eli Preiss momentan in aller Munde. Die Wienerin verzaubert uns immer wieder mit dem gehaltvollen Klang ihrer Stimme, gepaart mit vielseitigen Texten und saftigen Beats. Von spielerischer Leichtigkeit über Gesellschaftskritik, hin zur Melancholie, Eli kann mit allem dienen. Musik macht die Sängerin schon seitdem sie ihre Stimmenbänder benutzen kann, verriet sie mir im Interview, dabei hat sie sich schon in den verschiedensten Formen ausprobiert.


Ich durfte Eli in Berlin treffen und schnell wurde klar: Die Künstlerin ist mindestens genau so facettenreich wie ihre Musik.

Wir haben unteranderem über ihre musikalischen Schaffungsprozesse, Frauen im Rap und die Vermischung von Traum und Realität gesprochen. Ein Thema kam dabei selbstverständlich auch nicht zu kurz – Elis Debüt-Album.


Hi Eli, was geht gerade so bei dir? Wie sieht dein Alltag aus?

Jetzt gerade bin ich eigentlich wieder voll auf meinem Self-Care-Trip. Also, ich schau, dass ich viel Sport mache, mich gut ernähre, viel spazieren gehe und viel Zeit mit meiner Familie verbringe. So lange ich die Zeit hab. Momentan geht wieder echt viel ab. Es gibt keine Lockdowns mehr, man hat wieder regelmäßig Termine, Auftritte und sowas. Dann versuche ich, jede freie Sekunde einfach zu nutzen, wieder Balsam auf meine Seele zu geben.

Studierst du eigentlich noch? Du hattest ja mal Philosophie studiert...

Also, ich mach‘s im Schnecken-Tempo. Es interessiert mich auf jeden Fall, aber irgendwie habe ich das Gefühl, studieren kann man immer und Musik machen und Auftreten kann ich halt jetzt.

Okay, bei dir geht also gerade primär Musik, viel Self-Care und ein klein wenig Studium. Wie würdest du dann deine generelle Tätigkeit mit einem Wort betiteln?

Hmm...also, wenn man jetzt nach dem klassischen Sinne geht, und ich jetzt ein Freundschaftsbuch ausfüllen müsste oder so, dann würde ich sagen: Künstlerin. Aber ich finde meine Kunst und alles was ich mache musikalisch, lebt eigentlich davon, dass ich mich persönlich jeden Tag weiterentwickele oder es zumindest probiere. Die Arbeit, die ich in mich selbst stecke, und mit der ich andere Leute um mich herum inspiriere, davon lebt eigentlich meine ganze Kunst. Auf einer philosophischen Ebene würde ich sagen, ich bin eine Selbst- und Umgebungsverbesserin (lacht).

Du meinst, deine Kunst, das ist nicht nur diese Figur „Eli Preiss“, sondern das bist einfach du? Und diese Kunst versprühst du dann quasi in die Welt hinaus?


Auf jeden Fall. Deshalb fühlt es sich gerade für mich ganz komisch an, dass ich jetzt nur das mache. Es ist so krass, dass ich das meinen Job nennen darf. Es stellt für mich einfach keine Anstrengung dar. Früher war für mich Produktivsein: „Okay, ich muss Mathe lernen.“ Sachen, die mir halt einfach unangenehm waren, das war Produktivsein. Und jetzt mach ich lauter Sachen, die mir angenehm sind, und irgendwie muss ich mir sagen: „Ich bin produktiv, auch wenn es sich nicht so anfühlt.“ Dann muss ich mir das immer wieder sagen, um mich nicht so selbst runterzumachen. Weißt du, was ich mein?

Ja voll. Ich kenn das auch.

Weil, es ist nicht anstrengend, sag ich ehrlich. Alles, was ich momentan mache, bringt so viel Spaß, aber es fühlt sich irgendwie auch ein bisschen falsch an.

Ich kann‘s ziemlich gut nachvollziehen. Dieser Trugschluss, dass Produktivität in irgendeiner Form wehtun muss. Das ist doch so komisch, oder? Dieses: Das, was du dir vornimmst, worauf du keinen Bock hast, das und nur das ist Produktivsein.

Ja, und das lernt man halt in der Schule irgendwie. Das wird einem so vorgelebt.

Voll. Ich glaube, das wird einem auch generell in allen möglichen Bereichen anerzogen

. Ja, und dabei ist Produktivität sowas Schönes. Es macht Spaß, Dinge hinzubekommen, was zu schaffen, dein Leben zu ordnen. Nur die Art, wie einem das als Kind vermittelt wird, ist eigentlich voll falsch.

Du meintest gerade, es mache Spaß, Dinge zu schaffen. Wann hat das bei dir eigentlich angefangen? Etwas zu schaffen, Musik zu schaffen...


Also, seitdem ich meine Stimmbänder benutze, singe oder summe ich irgendwie sowas. Darin habe ich mich immer voll gefunden. Ich war in sozialen Interaktionen oft irgendwie anders, ich habe Leute zu mir eingeladen, um SingStar zu spielen, und ich habe mit Leuten irgendwie gebondet, indem wir gesungen haben oder den gleichen Song mochten. Für mich war Musik also immer einfach ein großer Part in meinem Leben und vor allem etwas, was mich hat gut fühlen lassen. Sie war einfach immer da, und ich habe mich da in verschiedensten Formen ausprobiert.

Inwiefern ausprobiert?

Ich wusste so: „Okay, ich möchte Musik machen.“ Egal, ob das jetzt heißt, ich werde Tänzerin, Musicalsängerin, Opernsängerin oder Teil einer Band. Mir standen diese Möglichkeiten alle offen, und dann habe ich mich eben einfach überall ausprobiert. Am Ende bin ich dahin gelangt, wo ich, glaube ich, auch am ehesten sein wollte. Da, wo ich meinen eigenen Sound und meine eigene Vision kreieren kann.

Ich finde, man kann diese Experimentierfreude echt ganz gut in deiner Diskografie wiedererkennen, beziehungsweise raushören. Du spielst ja immer wieder mit verschiedenen Genres. Aber besonders bezeichnend ist dein Wandel von englischem RnB, hin zum New-Wave-Deutschrap. Das kam ja auch relativ plötzlich, oder? Im April 2020 kam dein letzter englischer Track raus, und im Juli 2020 hast du schon „noch down“ released, also einen deutschen Titel. Was ist in dieser Zwischenzeit passiert? Woher kam der plötzliche Wandel?

Ja, was dazwischen war...Corona halt (lacht). Also, das hat mich auf jeden Fall einiges umdenken lassen. Ich wollte eigentlich mit meiner englischen Musik nach Amerika und England. Ich wäre einen Monat in New York gewesen, hatte da auch schon mit einem Homie von mir einiges geplant, aber Corona hat uns halt einen Strich durch die Rechnung gemacht. Plötzlich war ich in Wien mit meiner family locked up und wusste

nicht, was als Nächstes passiert. Da musste ich einfach in mich kehren und mich fragen: „Eli, was machst du jetzt?“

Und dann, hast du was genau gemacht...?

Ich bin dann immer heimlich auf dem E-Roller vom 5. Bezirk in den 22. gefahren. Du musst dir vorstellen, das ist auf dem Roller halt so eine Stunde. Vorher hatte ich meiner Familie gesagt, ich bin bei meinem damaligen Freund, meinem Freund habe ich gesagt, dass ich bei meiner Familie bin, damit das halt niemand weiß. Aber ich musste einfach Musik machen. Also bin ich heimlich zu Tschickgott raus und wir haben zusammen Musik gemacht. Ich habe da auf der Couch gepennt, dann haben wir am nächsten Tag wieder Musik gemacht, und so sah das dann halt aus. Da ist dann auch die erste deutsche EP entstanden, „MOODSWINGS“, die eben sehr von der Verwirrung dieser Zeit geprägt war.

Ey, ja krass, also wenn Corona nicht gewesen wäre, würdest du noch englisch singen?

Wer weiß, also ich denke, wäre Corona nicht gewesen, ich den ganzen Monat in New York geblieben und das dort gut gelaufen wäre, hätte ich mir jetzt nicht überlegt, Musik auf deutsch zu machen...

Stellst du dir dahingehend manchmal diese „Was wäre, wenn...“-Frage? Also, was wäre, wenn das mit New York geklappt hätte?

Ey, ich glaube, es gibt so viele Paralleluniversen, in denen ich ganz woanders lande. Aber es ist immer die Musik.

Also, ist es dir eigentlich in dem Sinne egal, als dass du jetzt eh das machst, worauf du Bock hast?


Ich finds sogar geil, weil ich sagen muss, dass die deutsche Szene mich gebraucht hat (lacht).

Ja, das habe ich mir tatsächlich auch schon gedacht! Ich hatte voll das Gefühl, dass bei dir in den letzten Monaten alles Schlag auf Schlag kam. Zum Beispiel der Auftritt auf dem Schillerplatz, was da abging, war ja auch einfach nur krass. Du kommst aus dem Lockdown und auf einmal kennen dich mega viele Leute und können deine Texte mitsingen. Was war das für ein Gefühl, als du das realisiert hast?

Es war wirklich so krass. Leute haben nach meiner Hand gegriffen, wollten Autogramme und ich war nur so: Was geht ab?! Davor war das nicht so. Es macht mich aber einfach extrem dankbar. Vor allem, dass ich auch so viele Fans aus Deutschland mit dazugewonnen habe, dadurch das dieser Switch zum Deutschen kam.

Wenn man so schnell wie du, eine so große Reichweite erlangt und von jetzt auf gleich auf so viel positive Resonanz stößt, sieht man sich dann eigentlich auch plötzlich mit Hate konfrontiert? Das geht ja irgendwie Hand in Hand. Ich hatte das Gefühl, dass du in deinem Song „GLÜHHEISSE WÜSTE“ damit ein bisschen abrechnest.

Weißt du, das Ding ist, ich war schon immer mit Hate konfrontiert. Entweder man liebt mich oder man hatet mich halt. Ich bin scheinbar eine Person, ganz ohne das zu wollen, die polarisiert. Es gibt Leute, die wirklich for no reason irgendwie auf mich losgehen. Aber ich versuch mich einfach auf das Positive zu konzentrieren, denn so das Negative gab es schon immer.

Mich beschleicht manchmal das Gefühl, dass speziell auf Frauen im Rap irgendwie auf eine völlig andere Art und Weise gehatet wird als auf Männer. Die Kritik

bezieht sich so oft weniger auf Sound oder Textinhalte als auf die Tatsache, dass es sich um eine rappende Frau handelt. Das ist halt schon ein dicker Unterschied. Auf diese Diskrepanz gehst du in deinen Texten auch häufiger ein, beziehungsweise allgemein auf die Ungleichheit von Geschlechtern in der Szene. Ich bin mir immer sehr unsicher, wie man dem Ganzen entgegenwirken kann. Ob es wirkungsvoller ist, sein nicht männliches Geschlecht noch mehr hervorzuheben, oder man eben einfach kein großes Ding draus machen sollte. Darauf kann es natürlich keine richtige Antwort geben, zumal das allen Künstler:innen völlig selbstüberlassen ist. Mich würde aber interessieren, welchen Weg du da für dich wählst.

Bei mir ist es eher Zweiteres. Aber ich werde halt gerne in diese erste Schublade gesteckt. Menschen haben irgendwie immer das Bedürfnis zu kategorisieren oder irgendwelche Stories zu finden. Ich höre so oft dieses: „Eli, die Feministin!“, „Frau im Rap!“. Und ich bin so: Ey, ich mach einfach gute Musik und ich finde, dass ich eine Frau bin, ist nebensächlich. Allein, dass ich als Frau mein Ding mache, ist feministisch.

Ich verstehe, was du meinst, als Frau wirklich das zu machen, was man will und worauf man gerade eben Bock hat, ist gefühlt schon eine politische Aktion.

Voll. Ich habe aber ehrlich gesagt kein Problem damit. Ich supporte super viele Girls in Zusammenarbeiten, zum Beispiel als Directorinnen in meinen Videos. Ich bin auch immer auf der Suche nach weiblichen Producerinnen. Aber ich will mich damit gar nicht so präsentieren, weil im Endeffekt gehts darum, es einfach zu machen.

Ja, völlig. Man muss auch sagen, dass deine Videos einem immer nochmal einen neuen Blick auf deine Songs geben. Neulich ist das Video von „ENDBOSS“ rausgekommen. Da kombinierst du super viele Elemente und Effekte miteinander. Im Track an sich gehts ja im Grunde genommen um eine Beziehung zwischen Mann und Frau, richtig? Was ist das für eine Art von Liebe, die du da skizzierst?


Ich bin da mit jemandem, der mich für meine Stärke liebt, der sich traut, auch verletzlich zu sein, der aber auch für mich da ist. Also diese Gegenseitigkeit, das Gefühl, man kann sich beidseitig auch mal fallen lassen. Im Text von „ENDBOSS“ geht es eigentlich nur um diese Liebe. Ich habe in dem Video aber auch immer wieder Sachen eingespielt, die auf andere Songs im Album anspielen. Weißt du, was ich mein ?́

Das ist mir auch aufgefallen. Du kokettierst da immer wieder mit dieser Verflechtung von Diffusion, Rausch oder Traum mit der Realität. Im Video, aber auch in deinen Texten ganz generell. Was fasziniert dich eigentlich so daran, an diesem Clash von Realität und Traumwelt?

Dass es einfach meine Wahrnehmung ist (lacht). Ich will echt nicht verrückt klingen, aber ich weiß in meinem Alltag oft nicht ganz, was wirklich real ist. Es gibt so viele verschiedene Realitäten, für jeden Menschen ist jeder Tag etwas völlig anderes. Und immer, wenn ich so drüber nachdenke, was es überhaupt heißt, am Leben zu sein, wo man herkommt, wo man hinkommt, dann krieg ich so eine Gänsehaut. Manchmal wenn ich Dinge beobachte, die Natur zum Beispiel, fühlt es sich einfach an wie ein Traum. Ich träume aber halt auch viel luzid.

Was meinst du mit luzid träumen?

Das heißt, dass du merkst, dass du träumst und dann bewusst deinen Traum steuern kannst. Man kann zum Beispiel anfangen zu fliegen, mit Leuten sprechen, einfach lauter verrückte Sachen machen.

Ja, sowas ist völlig verrückt. Ich denk mir voll oft, dass dann, sobald du luzide Träume hast, die Realität auch weniger real wird, oder? Weil dann gibts wieder was, was Traum und Realität gleichsam haben: Du kannst sie steuern...


Auf jeden Fall. Manchmal fühlen sich meine Träume realer an als das Hier, wenn ich aufwache. Man sagt ja immer, dass in luziden Träumen jede Empfindung, die du hast, zehnmal so stark ist wie im echten Leben. Also wenn ich was esse in einem Traum, dann ist das die am besten abgespeicherte Version dieses Essens.

...ja oder halt die schlechteste (lacht)...

(lacht)...ja oder die Schlechteste. Negatives wird auch negativer. Aber man hat da so Cheat Codes, die einem verraten, ob man im Traum ist oder nicht.

Und inwieweit beeinflussen diese Träume dein Leben und deine Musik?

Die Erfahrungen, die ich dort sammle, die übertrage ich auf die Realität. Darum gehts ja auch in dem Album. Um dieses „Level up“, dieses verspielte, weil ich glaube, dass man so viel mehr machen kann im täglichen Leben, als man denkt. Du musst es halt einfach ein kleinwenig wie ein Spiel ansehen.

Hattest du den jüngst ein „Level up“? Oder wieso hast du dein Album so genannt?

Ich hatte schon eine persönliche Weiterentwicklung auf ein nächstes Level. Auch musikalisch und was meine Energie ganz allgemein angeht, ging es nach oben. Es ist aber eben gleichzeitig auch wieder diese Spielreferenz, dass gefühlt alles irgendwie möglich ist.

Was willst du denn in Zukunft noch so möglich machen? Der Sommer steht ja vor der Tür. Was sind da deine Vorhaben in puncto Musik?

„LVL UP“, also das Album, kommt am 10. Juni. Am selben Tag spiel ich auf dem MELT, da bin ich auch schon echt aufgeregt. Es stehen meine ersten richtig großen Auftritte an. Danach will ich einfach meine Zeit genießen, die nächsten Moves ein bisschen planen.

Im Oktober will ich dann mit dem Swiftcircle auf so eine Art Bootcamp und da kommen viele Bullshit-Songs, auf die ich mich mega freue.

Das hört sich alles sehr vielversprechend an. Ich bin auf jeden Fall gespannt, was da noch kommt. Vielen Dank.


Das Gespräch mit Eli lässt mich definitiv mit Spannung in die Zukunft blicken. Ich bin ganz erpicht darauf, der Sängerin auch weiterhin zu folgen. Den 10. Juni habe ich mir dick und fett im Kalender angestrichen, da erscheint ihr neues Album, welches dem Sommer sicherlich ein „Level-Up“ geben wird.

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