Die britische Newcomerin Dylan im Flutwelle-Interview mit Jule Detlefsen
Dass Dylan ein waschechter Rockstar ist, wurde mir schnell klar, als ich die Musikerin während des Reeperbahnfestivals in einer Hotellobby zum Interview traf. Mit verwischtem Kajal, zerzauster blonder Mähne und schwarz abgesplitterten Nagellack empfang sie mich. Obwohl sie exakt so aussah, wie ich mir ein Rockstar vorstellte, war die Musikerin, die bereits in riesigen Stadien Support für Ed Sheeran spielte, erstaunlich nahbar. In ihr schlummert eben auch nur eine zarte 22-jährige Seele, die genau wie wir einfach hofft, ihren Weg und ein wenig warme Liebe in dieser lauten und kalten Welt zu finden.
Im Interview reden wir über Dylans erstes Mixtape "The Greatest Thing I Never Learn" und warum sie von dem ein Gefühl, ohne zu viel nachzudenken ins andere springt. Wie sie das anstellt und was sie jungen Mädchen raten würde, die genau so ein Rockstar werden wollen, wie sie selbst einer ist, erfahrt ihr hier.
Ich habe gelesen, dass du über den Song „Nothing Last Forever“ sagst, dass er dich sehr gut als Person beschreibt. Dabei ich bin über den Begriff "entirely chaotic" gestolpert, und ich mag es wirklich sehr, dass du diesen Begriff benutzt, weil besonders Frauen immer ein bisschen besorgt, wie wir rüberkommen und wie wir anderen gefallen und…
Und nicht zu laut zu sein!
Ja, genau. Was liebst du daran, „entirely chaotic“ zu sein?
Ich kann es einfach nicht mehr aufhalten. Ich schätze, das ist es. Es ist etwas, das ich sehr, sehr lange versucht habe zu verstecken und dann irgendwann einfach durchschien. Ich habe das Gefühl, dass ich selbst nie weiß, was als Nächstes passieren wird, welchen Song ich als Nächstes schreibe, was in meinem Privatleben als Nächstes passiert, weil es so chaotisch ist. Das macht alles ein bisschen spontaner.
Do it for the plot!
Genau, do it for the plot. Wir sind alle main charakters. Und dann sitze ich jeden Tag da und denke, warum ist die Handlung nur so verdreht? (lacht).
Haha, ja das kann ich gut nachvollziehen.
Dein erstes Mixtape kommt am 28. Oktober raus und es heißt „The Greatest Thing I Never Learn“. Also was ist die größte Sache, die du nie gelernt hast?
Zu lieben und geliebt zu werden. Das kommt von einem Zitat, das meine Mutter immer zu mir gesagt hat: „Das Größte, was du je lernen wirst, ist, zu lieben und geliebt zu werden“ und damit habe ich im letzten Jahr massiv zu kämpfen gehabt. Es war so, als ob ich alle meine Gefühle einfach abgeschaltet hätte. Ich hatte Probleme mit Freundschaften, Liebesbeziehungen, also eigentlich jegliche Arten von Beziehung. Es war wirklich wirklich schwierig für mich die Gefühle zu erwidern, zu fühlen und zu versuchen, diese Gefühle zuzulassen. Ich habe mit all dem gekämpft und deshalb ist das Mixtape mit all seinen Songs genau darüber.
Ich finde es schön zu sehen, dass es erlaubt ist, all diese verschiedenen Gefühle zu haben und dass wir alle einfach versuchen unser Bestes zu geben.
Das ist auch das erste Mal, dass ich wirklich darüber spreche, wie ich mich fühle und was in meinem Leben vor sich geht. Es sind ein paar ziemlich schmerzhafte Songs dabei auf der ersten Hälfte des Albums. Aber die andere Hälfte ist wie "Nothing lasts forever". Da spreche ich wirklich meine Wahrheit aus, indem ich sage: Das ist mein Herz, das bin einfach ich.
Ich liebe es, wie furchtlos die Reihenfolge der Songs ist. Es geht von „Warum bist du nicht in mich verliebt?“ zu "Ich will dich nicht mehr“ und so weiter und so fort.
Das ist das Problem bei mir, es ist so chaotisch.
Wie hast du gelernt, deine Gefühle so frei zu verbalisieren, wenn du sagst, dass du damit zu kämpfen hattest?
Ich denke, dass das mit den Gefühlen und der Art, wie ich diese Songs schreibe: Es ist, als wäre man betrunken und dann kann man nicht mehr aufhören zu sagen, was man sagt und man hat keinen Filter mehr. Ich sage dann einfach alles, was ich denke, und mache mir keine Gedanken darüber, ob es schön klingt oder ob es bessere Metaphern gibt oder so etwas. Ich mag es einfach, wenn es direkt auf den Punkt kommt. Ich habe keine Angst, etwas zu sagen.
Und wie bist du zu diesem Mindset gekommen?
Nach Covid hat sich einfach etwas verändert. Ich habe so sehr versucht, jemand anderes zu sein und nicht ich selbst. Ich kam an einen Punkt, an dem es mir einfach egal war, was andere Leute von mir dachten. Wenn man aufhört, sich darum zu kümmern, ist es wirklich einfach, die Songs zu schreiben, die man schreiben will.
Das ist so wichtig, besonders als Frau so eine Einstellung zu haben.
Also wenn ich dich anschaue, denke ich: "Sie ist ein Rockstar“ - Hast du einen Rat für Mädchen, die genau wie du ein Rockstar werden wollen?
Ich denke, dass man sich nicht daran orientieren sollte, was in der Vergangenheit in der Branche passiert ist, denn wie du schon sagtest, ist es eine sehr männerdominierte Branche.
Besonders wenn es um Rockstars geht. Wenn man an Rockstars denkt, denkt man in der Regel nicht an Frauen. Ich hasse das. Als ich anfing, habe ich im Studio keine Gitarre in die Hand genommen, weil ich Angst hatte, dass ich nicht Rock ’n' Roll genug bin. Obwohl das doch alles war, was ich tun wollte. Ich glaube, ein Rockstar zu sein, ist das, was man als solches definiert. Ich habe das Gefühl, dass die Musik, die ich mache, und die Art und Weise, wie meine Live-Shows sind, mich zu einem Rockstar machen. Lass dir von niemandem sagen, dass das, was du tust, nicht das ist, was du willst. Es kann alles sein, was du willst. Also fang einfach damit an.
Wer sich übrigens selbst von der omnipräsenten Coolness der Musikerin überzeugen will, sollte im Februar unbedingt die beiden hochverlegten Deutschland-Shows in Köln und Berlin besuchen.
27.02.2023 - Köln, Club Bahnhof Ehrenfeld
28.02.2023 - Berlin, Gretchen
Präsentiert von Musikblog.de und Flutwelle Magazin
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