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Ami Warning: "so ein richtiges Ankommen gibt es ja glaube ich auch nicht"

Neele Hoyer im Interview mit Ami Warning

credits: Stef Zinsbacher


Eine Woche vor der Albumveröffentlichung durfte ich mich mit Ami auf einen Kaffee treffen. Dabei haben wir über das Album gequatscht, aber auch darüber, was ihre Musik für sie bedeutet und wie sie die Musikbranche wahrnimmt. “Auszeit” ist ihr Soundtrack für ehrliches Abschalten, das eigene Grenzen einhalten und der Arbeit als kleinerer Artist auf dem Weg. Ohne die eigenen mentalen Batterien auch guilt-free wieder aufladen zu können, kann selbst das, was man am meisten liebt – für Ami also die Musik – nicht nachhaltig funktionieren


Dein Album kommt Anfang August raus und heißt "Auszeit". Der Titel ist aber ja genau das Gegenteil von Songs schreiben und produzieren, Release-Vorbereitung oder Tour. Wie vereinst du für dich selbst diesen Kontrast?


Tatsächlich ist das Album dadurch entstanden – dass so viel hintereinander und gedrängt war, dass ich es gar nicht mehr so richtig genießen konnte und mich gefragt habe, warum ich eigentlich immer alles so vollstopfe. Warum habe ich das Gefühl, ich muss so viel machen, um irgendwie voranzukommen? In den Pausen dazwischen sind dann die Songs entstanden, weil ich gemerkt habe, irgendwie lohnt sich das für mich nicht. Ich möchte mir guilt-free Pausen gönnen können und immer wieder Auszeiten nehmen. Klar gelingt mir das auch nicht immer. Jetzt gerade eben zum Album hin ist es einfach viel und das ist auch okay. Aber ich nehme mir dann schon vor, dass ich danach, bevor es in die Tour reingeht, auch noch mal eine Pause nehme und alles ein bisschen Revue passieren lasse, was passiert ist. Weil sonst ist es echt nur eins nach dem anderen und am Schluss ist man im nächsten Jahr und hat gar nichts so bewusst wahrgenommen.


Irgendwie muss man das ja auch alles verarbeiten können. Aber kannst du dir selbst diese Pausen mittlerweile erlauben?


Doch, ja und nein. Auch mal besser, mal schlechter. Ich sehe halt, ich poste was auf Social Media und habe dann zum Beispiel den Zugang zu meinem Shop verlinkt – dann sehe ich auch, dass der Post instant manche Leute daran erinnert hat, dass ich auf Tour gehe und sie sich direkt Tickets gekauft haben. Dadurch finde ich es schon manchmal schwer. Ich liebe die Musik und stecke da alles rein. Und ich weiß, wenn ich ein paar Wochen einfach nichts mache, dann wirkt es sich halt direkt darauf aus, dass ein paar weniger Leute auf die Tour kommen etc. Mit dem Gedanken im Hinterkopf ist es auf jeden Fall manchmal schwer, einfach zu sagen: ich mache das jetzt nicht. Aber wenn ich merke, dass mir alles gerade mehr als zu viel ist, dann mache ich Pause. Es muss schon immer ein gewisses Limit erreichen, damit ich mir eine Auszeit nehme, aber ich nehme sie dann schon!



Das hört sich auf jeden Fall schon mal ganz gesund an! Welcher Song auf "Auszeit" fiel dir eigentlich am schwersten zu schreiben? Vielleicht auch gerade in Bezug auf dieses Gefühl, sich das gönnen zu können, ohne sich schlecht zu fühlen.


Also die meisten Songs konnte ich eigentlich relativ leicht schreiben, weil ich da alles ein bisschen rauslassen und ganz gut verarbeiten kann, was man sonst im Leben auch mal nicht so perfekt umsetzt. Der Song, der am längsten gedauert hat, um ihn fertig zu bekommen, ist der, der jetzt mit dem Album rauskommt. Das ist ein Feature mit Oehl. Er hat ihn auch produziert und es war einfach ein Hin und Her. Ich habe auch noch zwei andere Versionen von dem Song, die komplett anders klingen. Der hat also einfach so seine Zeit gebraucht, um fertig zu werden und hat auch die längste Anbahnungs-Phase gehabt. Aber ich mag ihn jetzt auch! Er ist ein bisschen anders als die anderen Songs.


Das habe ich beim Hören auch direkt gedacht! Was tust du, wenn du dich rastlos fühlst?


Tatsächlich habe ich was Neues entdeckt, ich bin noch ein Neuling. Gefühlt jede*r kennt das schon, aber seit neuestem meditiere ich manchmal. Ich habe es jetzt auch im Auto auf dem Weg nach Berlin gemacht. Immer, wenn ich ein bisschen Zeit habe, versuche ich tatsächlich einfach, das immer öfter zu machen. Das hilft mir auf jeden Fall, nicht jedem Gedanken hinterher zu hetzen, sondern einfach runterzukommen. Das ist gerade mein neues Ding, was mir ganz gut hilft, aber ich muss es noch länger machen und so richtig reinkommen.


Schön, dass dir das auch jetzt schon hilft! Wo liegt denn dein kleines Glück?


Mein Glück... Also auf jeden Fall daheim mit der Familie. Dort kann ich am besten auftanken. Also ja, da ziehe ich auf jeden Fall mehr Energie raus, als es mir nimmt. Unterwegs sein ist auch cool, das gibt mir ein bisschen was anderes. Aber so dieses richtige Auftanken, das kann ich beim heimkommen.


Sehr schöne Antwort! Wir spielen jetzt eine Runde: vervollständige den Satz. Dieses Album bedeutet für mich...?


Dieses Album bedeutet für mich irgendwie so einen richtig bedeutenden Schritt zu gehen. Ich habe noch nie so viel selbst gemacht wie bei diesem Album. Deswegen kam wahrscheinlich auch diese Auszeit/Stress-Thematik so krass dort mit rein. Und jetzt merke ich aber, dass sich mehr Leute denn je Tickets kaufen und das irgendwie auch ankommt. Das ist irgendwie ein krasses Gefühl. Dass diese Arbeit, die man für so lange Zeit in etwas reingepowert hat, jetzt auch diesen Outcome hat. Allein deshalb hat dieses Album eine starke Bedeutung für mich!


credits: Stef Zinsbacher


Das ist doch eine sehr schöne Antwort. Der Ami von früher, würde ich gerne sagen...?


Wahrscheinlich irgendwie so was wie: Behalte dir immer den ursprünglichen Spaß bei, einfach Musik zu machen und Songs zu schreiben. Also den Kern, um den es am Anfang geht. Halt immer an dem fest.


Als FLINTA*-Person in der Musikbranche...?


Ach das geht schon. Eine der größten Sachen, die mir immer noch auf den Sack geht, ist beim Live spielen. Die Menschen, die den Sound mischen, sind meistens immer noch Männer. Und ich habe die Erfahrung gemacht, dass diese Männer dann oft denken, dass du nicht weißt, was du tust. Das kann ich nicht gut haben. Das hat dann einfach damit zu tun, dass ich eine Frau bin. Das weiß ich einfach. Das ist eine Sache, die mir zu dem Thema einfällt, die ich richtig oft erlebe und mir immer wieder denke: Wie kann das denn sein? Ich mache das jetzt schon so lange, du musst mir sowas nicht jedes Mal mansplainen. Aber sonst habe ich zum Glück das Gefühl, das ich auch von vielen Leuten Respekt bekomme und das auch Gleichberechtigung immer mehr in den Vordergrund rückt. Es gibt generell im Musikgeschäft Arschlöcher, wie überall. Und da ist es einfach schwierig zu differenzieren. Aber teilweise steht es dann deutlich damit in Verbindung, dass ich eine Frau bin.


Stimmt, das ist dann einfach frech, aber das ändert sich hoffentlich auch noch weiter. Haben deine beiden deutschen Alben eigentlich eine Verbindung für dich? "Kurz vor dem Ende der Welt" klingt mir noch so, als wäre es so der Weg dahin, stark genug zu sein, sich Auszeiten zu nehmen und auf sich aufzupassen. Und "Auszeit" wirkt dann wie ein Ankommen oder zumindest wie ein Zwischenhalt auf diesem Weg.


Ich glaube, die beiden Alben sind eigentlich einfach zwei verschiedene Thematiken. Was bei beiden auftaucht, ist: mach, was du willst. Warte nicht bis kurz vorm Ende der Welt, um irgendwelche Dinge zu tun. Darum geht es in "Auszeit" auch wieder, nur von einer anderen Seite beleuchtet. Also es ist schon ein Thema, was sich bei mir immer wieder wiederholt. Wirklich auf sich selbst zu hören und das dann auch durchzieht.So richtig angekommen bin ich natürlich auch nicht – ich habe auch mit diesem Album nicht alles verstanden und perfekt umgesetzt. Das bleibt ein Weg. Aber mal schauen, was im nächsten Album für Themen mit dazukommen.



Man muss ja auch gar nicht irgendwo an einem Endpunkt ankommen, glaube ich, das ist eher eine Illusion. Das schafft vermutlich kein Mensch. Aber diesen Schritt weiter finde ich schonmal sehr schön. Dein Albumcover ist übrigens wahnsinnig schön. Das ist ja ein Bild von dir als Kind. Warum hast du genau das für dieses Album gewählt?


Als Kind ist man noch am freiesten einfach und kennt viele von diesen ganzen Themen und Probleme, die in dem Album vorkommen, noch gar nicht. Man ist einfach frei und genießt das Leben. Das Bild ist auf Aruba entstanden, in der Karibik, wo mein Papa geboren ist. Und der Ort ist für mich einfach ein Auszeit – mein Lieblingsort, um wieder runterzukommen. Genau deswegen dachte ich mir, das passt eigentlich ganz gut zusammen.


Fühlst du dich selbst ein wenig angekommen, soweit das überhaupt geht?


Was mich richtig angekotzt: ich habe ja selbst richtig viel gemacht und total viel Kraft in mein Projekt reingesteckt. Aber trotzdem bleibt ein Gefühl. Es gibt wenige Leute, die anderen Musiker*innen helfen, einfach weil sie deren Projekte geil finden – auch an einem Punkt, wo noch nicht so viele Tickets verkauft wurden. Das finde ich schon krass, dass es einfach immer so ist, dass die Leute erst dann aufspringen, wenn es schon läuft. Man muss sich immer erst aus eigener Kraft an gewisse Punkte hieven. Und dann? Dann sind halt alle cool. Deshalb ja, man fühlt sich schon mehr angekommen, je mehr Schritte man schon gemacht hat. Dann wird es eher immer leichter, je weiter man kommt und je größer die Fanbase wird. Aber so ein richtiges Ankommen gibt es ja glaube ich auch nicht.


Was hat dich denn dabei gehalten, dich zu diesem Punkt zu kämpfen? Das kostet ja schon wahnsinnig viel Kraft.


Das stimmt. Aber ich will halt einfach meine Musik machen. Es ist wirklich am Schluss wirklich so simpel. Da kommt es glaube ich total drauf an, wie sehr man es wirklich machen will. Ich glaube aber auch, dass ich die nächsten drei Alben nicht auch noch komplett aus eigener Kraft machen könnte. Irgendwie merke ich das. So wie ich es jetzt gemacht habe, war es zwar cool und hat mir auch gezeigt, dass es eben nicht stimmt, dass man mindestens eine gewisse Grundlage braucht, um als Musiker*in zu funktionieren. Also klar, mit Dingen wie einem Booking wird es einfacher. Aber ich glaube, viele denken, man bräuchte unbedingt ein Booking, Labelmanagement und auch noch einen Verlag am besten, sonst könnte man es gar nicht machen. Und das stimmt einfach nicht. Aber man braucht  nicht alles und ich meine, jeder will ein Stück vom Kuchen und irgendwie finde ich das auch krass. Man will ja auch irgendwie davon leben, im besten Fall. Das hat mir nochmal bestätigt, dass man aus eigener Kraft schon sehr viel hinbekommt, wenn man es will – so dass man weiß, im schlimmsten Fall mache ich es halt wieder selber.


credits: Stef Zinsbacher


Ja, das stimmt. Das nimmt auch sehr viel Last. Wie lange hast du eigentlich Dinge getan, die dir nicht gut getan haben, weil du es so gewohnt warst oder weil du so aufgewachsen bist? Und wie frei bist du davon mittlerweile?


Ich bin schon eine Person, wenn ich etwas gar nicht mag, dann mache ich das auch nicht lange. Ich überschreite dann eher meine eigenen Grenzen mit Dingen, die ich eigentlich auch machen will. Dazu fällt mir eine Sache ein. Während Corona habe ich einen Kiosk eröffnet und meinen Freund und meiner Mutter. Das war cool, aber da habe ich mir wirklich gegen Ende hin gedacht, es ist einfach zu viel. Noch in diesem Laden stehen und dann wieder ganz normal Musik machen und Konzerte. Da konnte ich das auch nur noch durchhalten, bis wir einen Nachfolger gefunden hatten. Das war eine Sache, die ich eine Zeit lang am Schluss dann noch zu Ende bringen musste und wollte, aber schon gemerkt habe, das ist eigentlich zu viel. Ansonsten habe ich das große Glück, dass ich mich wenig in Dingen verfange, die ich gar nicht machen will – sondern immer eher als Teil von der Musik. Klar gibt es immer auch Zeug, was man machen muss. Und das war auch eigentlich schon immer so. Ich habe auch Glück mit meinen Eltern gehabt, weil sie mir nie das Gefühl gegeben haben, dass ich noch studieren müsste oder irgendwas an Sicherheit in der Tasche haben müsste. Mein Dad ist da auch ein großes Vorbild, er war immer kompromisslos. Er macht auch Musik und ich glaube, er hatte teilweise noch 50€ auf dem Konto und trotzdem ist er wieder mit seiner Gitarre losgezogen. Für ihn gab es immer nur das, was er machen will und ansonsten gar keine Alternative. Damit wurde mir schon immer vermittelt, nur das zu machen, was mich glücklich macht und was ich machen möchte. Sie haben mich einfach total frei gelassen.


Bist du eigentlich Typ aufgeregt oder Typ Rampensau?


Typ aufgeregt (lacht). Ich dachte halt, ich muss irgendwie besonders cool sein, voll gut reden können und alle entertainen. Aber die Leute nehmen einen eh so, wie man ist. Und das ist eigentlich voll das gute und beruhigende Gefühl. Dadurch kann ich so sein, wie ich bin. Wenn ich auf der Bühne steht, muss ich die klassische Performance abliefern – nein, das stimmt eben nicht. Deswegen ist das okay.


P.S.: Im November geht Ami mit ihrem vierten Album “Auszeit” auf Tour – kommt doch vorbei! 


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